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Wenn ihr hier ankommt ...

Eva Mosbacher und der Kindertransport

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                Eva Mosbacher (1938)

                  Otto und Hedwig Mosbacher

 

 

 

 

Hedwig Heinemann wurde am 21.09.1902 in Meiningen in Thüringen geboren. Ihr Vater, Fabrikbesitzer Paul Heinemann, war ab 1919 mehrere Jahre Stadtverordneter und ab Januar 1929 Vorsitzender der jüdischen Gemeinde.  Im September 1923 heiratete Hedwig den Nürnberger Kaufmann Otto Mosbacher (geb. 12.01.1894). In der Emilienstraße in Nürnberg wurde am 22.10.1926 ihre Tochter Eva Elisabeth Bertha geboren.

Eva wurde am 2. Mai 1933 eingeschult und besuchte die Volksschule am Feldmarschall-Hindenburg-Platz (vormals und heute: Rathenauplatz). Im Jahr 1936 wechselte sie auf die jüdische Volksschule in Nürnberg, im folgenden Jahr auf die jüdische Realschule in Fürth.  Die Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftleben führte dazu, dass die Papierfabrik Gebr. Heinemann in Meiningen Ende 1936 Konkurs anmelden musste. Otto Mosbacher musste im November 1938 seine Firma "Hermann Mosbacher & Co." aufgeben, die er von seinem Vater übernommen hatte. 

Evas Eltern dachten seit Anfang 1937 über eine Auswanderung in die USA nach. Hedwig Mosbachers beiden jüngeren Brüder Hermann und Hans Heinemann waren bereits Ende 1933 bzw. 1936 nach Südafrika ausgewandert.  Vater Paul Heinemann war im November 1938 zusammen mit seinem Bruder Bruno und seinem Neffen Herbert in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt worden. Nach 2-5 Wochen kamen sie wieder frei. Im März 1939 gelang Paul Heinemann und seiner Frau Betty die Auswanderung nach Südafrika.


Eine neue Chance für eine Auswanderung ergab sich für Eva durch die humanitäre Aktion der Kindertransporte. Verwandte väterlicherseits fanden zwei christliche Frauen aus der Nähe von Cambridge, die sich bereit erklärten, Eva bei sich aufzunehmen. So konnte Eva in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1939 um 2.50 Uhr nachts mit dem Zug von Nürnberg ihre Reise antreten. Im Zug befanden sich bereits Kinder aus München. Nach Umsteigen in Frankfurt am Main ging es weiter über Köln zur holländischen Grenze. Anstatt der Zollkontrolle kam die Gestapo durch den Zug, wie Eva ihren Eltern schrieb. Von Hoek von Holland fuhren die Kinder dann mit dem Dampfer nach Harwich und von dort weiter mit dem Zug zum Bahnhof Liverpool Street in London. Von dort schrieb Eva nach ihrer Ankunft am 11. Mai gleich eine Postkarte an ihre Eltern.

Ein paar Tage später kam Eva in die Perse School for Girls in Cambridge. Eva zeigte sich beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der englischen Kinder. Das englische Essen begeisterte Eva weniger: "Das Fleisch ist viel härter wie bei Euch, das Gemüse ist immer dasselbe und schmeckt wie eingeschlafene Füss'", meinte sie.

Ihre Eltern hofften weiter auf eine Auswanderung. Hedwig Mosbacher schrieb im Sommer 1939 an nach Neuseeland ausgewanderte Freunde: "Ich weiss sehr wohl, dass man auf uns nicht wartet, weder da noch dort, aber es bleibt uns keine andere Wahl alles zu versuchen, um in irgendein Land einwandern zu können. Aussuchen kann man das ja schon lange nicht mehr, das Beginnen und Umstellen ist überall das Gleiche."

Mosbachers erhofften prominente Unterstützung. Die Urgroßmütter von Otto Mosbacher und vom US-Finanzminister Henry Morgenthau jr. waren Schwestern. Ihnen wurde aus New York jedoch mitgeteilt, dass nur engste Verwandte unterstützt werden könnten.

Anfang November 1939 zogen Mosbachers nach Meiningen. Eva schrieb ihnen: "Dem lb. Papa wird die Luft sicher gut tun. Ich bin in Gedanken sehr viel bei Euch. Ich spiele immer Theater in Gedanken. Der Titel von dem Stück ist meistens wenn ihr hier ankommt.

Mosbachers warteten beharrlich auf Visa für die USA. Sie hatten bereits Schifftickets für einen Dampfer von Kobe nach Amerika am 17.11.1940. Mangels Visa mussten sie diese stornieren. Auch die Reservierungen für ein Schiff von Lissabon nach New York für den 10.10.1941 konnten sie nicht nutzen.

Als gegen sie im Oktober 1941 Strafverfügungen wegen Nichttragens des Judensterns erhielten - die Pflicht dazu galt für Juden ab Vollendung des 6. Lebensjahres seit dem 19. September 1941 . legten Mosbachers dagegen Einspruch ein. Sie hätten die Sterne getragen und eine Bestrafung würde zu Unrecht erfolgen. Das Amtsgericht Meiningen verhandelte am 14. November und Mosbachers mussten zahlen.

In jener Zeit mussten sie in ein sogenanntes "Ghettohaus" in der Sachsenstraße in Meiningen ziehen, wo ihnen ein Zimmer zustand. An Eva schrieben sie: "Wr müssen uns mit sovielem, was nicht geändert werden kann, abfinden, noch hoffend, dass uns - bevor es endgültig zu spät - eine letzte Reisemöglichkeit geboten wird. Dies  unser ständiges Hoffen."

In der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1942, genau drei Jahre nach der Trennung von Eva, wurden Hedwig und Otto Mosbacher mit mehr als 500 weiteren jüdischen Kindern, Frauen und Männern aus Thüringen von Weimar aus in den Distrikt Lublin deportiert. Bei Leipzig und Chemnitz kamen weitere Juden hinzu, so dass der Transport etwa 1000 Menschen umfasste. Der Zug traf gegen nachmittag des 12. Mai im Lubliner Hauptbahnhof ein. Von dort ging es weiter in das ca. 20km entfernte Ghetto Belzyce. Dort kam es im Oktober 1942 zu Massenmorden. In Meiningen erinnern zwei Stolpersteine an Hedwig und Otto Mosbacher.

 

Die Briefe Evas und der Nachrichtenwechsel mit ihren Eltern sowie weitere Dokumente blieben erhalten. Ein christlicher Freund der Familie, Franz Heurich, hatte die Unterlagen in Sicherheit gebracht und aufbewahrt. Er hatte Mosbachers und viele weitere jüdische Freunde verbotenerweise oft im Ghettohaus besucht. Er kümmerte sich auch um die Belange von Verfolgten, denen die Auswanderung geglückt war. Hedwig Mosbachers Bruder Hermann Heinemann schrieb im November 1946 an das Ehepaar Heurich: "Eigentlich, und nehmt Ihr mir das bitte nicht übel, im Grunde genommen und beim rechten Licht betrachtet, ist es nicht beschämend, dass es in einer kleinen Stadt, wo man für so viele Jahre gelebt und, wenigstens die Alten, erfolgreich gewirkt hat, dass es nur so wenige gegeben hat, die den Mut zur Anständigkeit hatten, Herz und Charakter auf dem rechten Fleck, und die daher auch etwas riskierten. Ihr könnt stolz sein, dass Ihr zu dieser Gruppe gehört habt, aber dagegen, was für ein grosser Haufen Gesindel."

 

Eva Mosbacher blieb in England und wurde Krankenschwester. Am 27. Juni 1947 nahm sie die englische Staatsangehörigkeit an. Am 10. November 1963 starb sie in London.